Ein Organspendeausweis liegt auf dem Tisch

Debatte zur Organspende - was passiert in der Gesellschaft?

Wir informieren Sie über die unterschiedlichen Meinungen und die erweiterte Zustimmungslösung.

Lesedauer:

5 min

Kurz zusammengefasst

Der Gesetzesentwurf zur doppelten Widerspruchslösung hat viele Diskussionen zur Organspende aufkommen lassen. Wir informieren dich über die unterschiedlichen Meinungen und die erweiterte Zustimmungslösung, die im Bundestag verabschiedet worden ist.

Veröffentlicht am
2.9.2022

Debatte zur Organspende - was passiert in der Gesellschaft?

Der Suchbegriff "Organspende" erreicht am Donnerstag, den 16.01.2020, seinen Höhepunkt bei den Google Suchanfragen. Die Debatten rund um das Thema sind so aktiv und gespalten wie noch nie. Am Donnerstag entschied sich der Bundestag gegen die doppelte Widerspruchslösung.

Doch es geht längst nicht mehr nur um das abgelehnte Gesetz, sondern um grundsätzliche Fragen, die nun verstärkt aufkommen, da die Gesellschaft den Gedanken zur Organspende hinterfragt.

In diesem Blogartikel informieren wir Sie über die gesetzliche Situation und die aktuellen Diskussionen und Meinungen, die durch den Gesetzesentwurf aufgekommen sind und die nun unsere Gesellschaft beschäftigen.

Der Gesetzesentwurf - was bedeutet die doppelte Widerspruchslösung?

Das Ziel des Gesetzesentwurfes des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) hätte für Deutschland eine automatische Registrierung als Organspender bedeutet, außer man hat der Entnahme von Organen und Geweben ausdrücklich zu Lebzeiten widersprochen.

Zusätzlich soll die Entscheidung, die jederzeit widerrufen werden darf, in einem bundesweiten Register festgehalten werden, das für Ärzte einsehbar ist. Im Zuge dessen soll jeder ab 16 Jahren insgesamt drei mal von den Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angeschrieben werden. Erfolgt nach dreimaligem Anschreiben kein Widerspruch, so gilt die Person als potenzieller Spender.

Dieser Gesetzesentwurf wurde am 16.01.2020 im Bundestag abgelehnt. Der Ursprung des Gesetzes war der Mangel an Organspendern in Deutschland. Jedes Jahr sterben mehr als 1000 Menschen auf der Warteliste aufgrund einer fehlenden Organspende. Mehr als 10 000 Menschen warten noch auf eine Spende. Mit der Verpflichtung zur Organspende erhoffte man sich erhöhte Spenderzahlen.

Welche Standpunkte werden vertreten?

Im Bundestag prallten viele unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen aufeinander. Karl Lauterbach (SPD) machte klar, dass die Spendebereitschaft zwar hoch sei, aber zu wenige davon einen Organspendeausweis besitzen, um ihren Willen darin festzuhalten.

Er argumentierte, dass die Spenderzahlen in den europäischen Ländern, die bereits die Widerspruchslöung eingeführt haben, meist deutlich steigen. Dazu machte er klar, dass das neue Gesetz keine Pflicht zum Spenden darstellt. Wer nicht spenden möchte, kann dem widersprechen.

Claudia Schmidtke (CDU) appellierte daran, an die vielen Schicksale zu denken, die aufgrund einer fehlenden Spende nicht weiter leben können und setzte sich für die doppelte Widerspruchslösung ein.

Aber was spricht nun gegen die doppelte Widerspruchslösung?

Hilde Mattheis (SPD) sieht den Gesetzesentwurf nicht als Lösung des Problems der geringen Spenderzahlen. Eine Organspende solle ihrer Meinung nach aus Nächstenliebe und der aktiven Bereitschaft dazu entstehen, nicht aber aus Trägheit sich aus dem Register austragen zu lassen.

Auch der Vergleich mit anderen europäischen Ländern, die eine doppelte Widerspruchslösung praktizieren, hinkt für einige. Die Gesellschaft und die Kulturen der anderen Länder haben aus Sicht mancher Bürger und Politiker andere Hintergründe und müssen im Gesamtkontext gesehen werden. Ein Vergleich zwischen lediglich der gesetzlichen Lage des Landes mit den Spenderzahlen sei nicht korrekt in einen Kontext zu setzen.

Deutscher Bundestag

Eine solche Lösung könnte auch dem Verhältnis zwischen Bürger und Staat schaden. Ist es der richtige Weg, die Bürger durch eine automatische Registrierung aktiv vor die Wahl zu stellen oder sollte man stärker an den Strukturen zur Information über die Organspende arbeiten?

Es geht nicht mehr nur um das Spenden von Organen

Die Debatte bezieht sich längst nicht mehr ausschließlich auf die Entscheidung für oder gegen das Spenden von Organen oder Geweben. Weitreichende Diskussionen zur Definition des Todesbegriffs und der damit einhergehenden Ethik stellt die Bürger und den Staat vor weitere Fragen.

Diese Liste lässt sich wahrscheinlich endlos ergänzen.

Mit dem Aufkommen des Gesetzesentwurfes wurden mehr und mehr Stimmen aus der Gesellschaft laut, die sich mit Fragen wie diesen beschäftigt haben.

Liest man verschiedene Berichte oder sieht sich Videos zur Debatte um die Gesetzeslage bezüglich der Organspende an, so begegnet einem oft der Bezug zum deutschen Grundgesetz. Wie ist der Gesetzesentwurf mit dem deutschen Grundgesetz zu vereinbaren? Ist die körperliche Unversehrtheit gefährdet, wenn der Staat den Bürger vor die Wahl stellt?

Die einen sagen ja, die anderen nein. Denn auf der einen Seite hat jeder Bürger die Möglichkeit mit einem Nein der Entnahme zu widersprechen. Durch die doppelte Widerspruchslösung werden im Zweifelsfall auch Angehörige zu Rate gezogen.

Aber was ist auf der anderen Seite mit den Menschen, die nicht ausreichend informiert sind oder mehr Zeit benötigen, um sich zu entscheiden? Sollte jemand Sterben, bevor er sich entscheiden konnte, würde sein Schweigen als Zustimmung gewertet werden. Die Angehörigen würden durch die doppelte Widerspruchslösung zwar nach der Meinung des Betroffenen gefragt werden, aber final entscheiden dürften sie nicht.

Was ändert sich nun?

Die doppelte Widerspruchslösung wurde im Bundestag abgelehnt. Stattdessen wurde die erweiterte Zustimmungslösung verabschiedet. Sie ist eine Ergänzung zur bisher geltenden Situation, nach der alle Bürger aktiv informiert werden sollen.

Beim Beantragen oder Verlängern eines Ausweises bekommt man Informationsmaterial zur Organspende ausgehändigt. Zudem hat man dort die Möglichkeit sich in das neu eingeführte Register für Organspender eintragen zu lassen. Diese Entscheidung kann jederzeit geändert werden.

Hausärzte sollen stärker in die Aufklärung mit einbezogen werden und auch der Erste-Hilfe-Kurs zur Führerscheinprüfung wird Informationen zur Organspende vermitteln. Mit einer Umsetzung der neuen Regelung ist in 2 Jahren zu rechnen.

Die Ansichten zu diesem Anliegen sind so individuell wie jeder Mensch es ebenfalls ist und das ist gut so. Der neue Gesetzesvorschlag hat viele Bürger dazu angeregt sich wieder vermehrt mit dem Spenden von Organen und Geweben zu beschäftigen.

Es geht nicht darum Sie zu einer Entscheidung zu zwingen, sondern Sie ausreichend darüber in Kenntnis zu setzen zu was Sie sich überhaupt entscheiden können. Jeder Mensch soll in der Lage sein über sich und seinen Körper zu bestimmen und sich dafür ausreichend Zeit nehmen dürfen.

Wir hoffen, dass Sie sich ausreichend über das Thema informieren können und demnach die für Sie persönlich richtige Entscheidung treffen können.

In unserem Blogartikel "Debatte zur Organspende - was passiert in der Gesellschaft?" beziehen wir uns auf folgende Quellen:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/O/Organspende/Organspende-Widerspruchsloesung_Gruppenantrag_Spahn_et_al.pdf

https://www.youtube.com/watch?v=zgcnPafp9X8

https://kenfm.de/organentnahme-par-ordre-du-mufti/

https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-01/organspende-widerspruch-neuregelung-peter-dabrock-christiane-woopen#organspende-widerspruchsloesung-entscheidungsloesung-spahn-baerbock-1-tab

https://www.tagesschau.de/inland/organspende-bundestag-111.html

https://www.tagesschau.de/inland/faq-organspende-101.html

https://www.merkur.de/politik/organspende-jens-spahn-aenderung-bundestag-gesetz-baerbock-erweiterte-zustimmungsloesung-widerspruch-neu-aenderung-zr-13444973.html

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